Zum Inhalt [I]
Zur Navigation [N]
Kontakt [C] Aktuelles [2] Suchfunktion [4]

Impuls zum 26.04.2020

3. Sonntag in der Osterzeit

Von Dr. Stefan Voges (Aachen), geistlicher Beirat von pax christi Aachen

 

Erinnerung, Musik, Aufmerksamkeit

26. April 1945. Im Konzentrationslager Dachau treibt die SS Tausende Häftlinge auf dem Appellplatz zusammen. Juden, sogenannte „Reichsdeutsche“, Gefangene aus der Sowjetunion. Männer, Frauen und Kinder. Vor den anrückenden Alliierten werden die Häftlinge aus dem Lager getrieben. Sie müssen sich auf einen Weg ins Ungewisse machen. Mindestens 1000 der geschwächten und unterernährten Häftlinge sterben auf diesem Todesmarsch.

Am 27. April 1945 beobachtet der Komponist Karl Amadeus Hartmann von einem Haus am Starnberger See, wo er in der Endphase des Krieges mit seiner Familie lebt, den Marsch der Dachauer Häftlinge. Er reagiert auf dieses Erlebnis, indem er komponiert. Innerhalb weniger Tage entsteht seine zweite Klaviersonate. Als Vorbemerkung notiert er: „Am 27. und 28. April 1945 schleppte sich ein Menschenstrom von Dachauer ‚Schutzhäftlingen‘ an uns vorüber – unendlich war der Strom – unendlich war das Elend – unendlich war das Leid –“. Hartmann komponiert ein Werk, in dem viele politisch-musikalische Motive anklingen, in dem aber vor allem das Erlebte einen emotionalen, musikalischen Ausdruck findet.

Karl Amadeus Hartmann: Sonate „27. April 1945“ für Klavier

https://www.youtube.com/watch?v=xgT0MylRcU4

Die Entstehungsgeschichte der Klaviersonate hat mich neugierig gemacht auf die Musik. Es ist keine Musik, die leicht zu hören ist, aber eine Musik, deren Unmittelbarkeit ich spüre, deren Eindringlichkeit auf mich wirkt. Musik, die mich erinnert.

Ein unscheinbares Detail der Entstehungsgeschichte ruft in mir Fragen hervor. Hartmann beobachtet den Todesmarsch von seinem Haus aus. Was sehe ich in diesen Tagen, in denen ich die meiste Zeit zu Hause bin? Wie verändert, wie eingeschränkt ist meine unmittelbare Wahrnehmung? Was bekomme ich mit von der Not und dem Elend, die sich nun hinter Haus- und Wohnungstüren verstecken?

Und das Fragen geht weiter. Auch die Aufmerksamkeit der Medien scheint eingeschränkt. Wie viele Themen fallen gerade aus der medialen Agenda? Von wie viel Gewalt, von wie vielen Kriegen und Konflikten lese, höre, sehe ich derzeit nichts?

 

Bitte um Gegenwart

Herr, erbarme dich – unserer Angst und unserer Ohnmacht.

Christus, erbarme dich – der Vergessenen und der Leidenden.

Herr, erbarme dich – deiner blühenden und sterbenden Schöpfung.

 

Biblische Botschaft (Joh 21,1-14 in der Übersetzung von Fridolin Stier)

Danach erschien Jesus selbst abermals den Jüngern am See von Tiberias. Er erschien ihnen so: Beisammen waren Simon Petrus, Thomas – der „Zwilling“ genannte – und Natanaël von Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern. Sagt Simon Petrus zu ihnen: Ich gehe fischen. Sagen sie zu ihm: Wir kommen auch mit dir. Sie gingen hinaus und stiegen ins Boot. In jener Nacht aber fingen sie nichts. Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Die Jünger wußten freilich nicht, daß es Jesus war. Sagt Jesus also zu ihnen: Kinder, habt ihr etwas zu essen? Antworteten sie ihm: Nein! Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet finden. Nun warfen sie aus, und waren nicht stark genug, es zu schleppen wegen der Menge der Fische. Sagt jener Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Der Herr ist es! Als nun Simon Petrus hörte, es sei der Herr, gürtete er sich den Überwurf – er war ja nackt – und warf sich in den See. Die anderen Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht weit vom Land – nur etwa zweihundert Ellen. Und sie schleiften das Netz mit den Fischen. Wie sie nun an Land gestiegen, erblicken sie ein Kohlenfeuer angelegt, und Fisch darauf liegen und Brot. Sagt Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr eben gefangen habt. Simon Petrus stieg herauf und schleppte das Netz an Land, voll mit großen Fischen – hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, riß das Netz nicht. Sagt Jesus zu ihnen: Kommt, nehmt das Mahl. Keiner der Jünger wagte, ihn auszuforschen: Wer bist du? Sie wußten, daß es der Herr ist. Jesus geht und nimmt das Brot, gibt es ihnen, und den Fisch desgleichen. Das war schon das dritte Mal, daß Jesus den Jüngern erschien, nachdem er von den Toten auferweckt war.

 

Die Botschaft nach-denken

Die Jünger sind zurück am See. Da, wo sie zu Hause sind. Da, wo sich ihr Alltag abspielt.

Da sucht einer sie auf.

Die Jünger sind enttäuscht: Sie haben nichts gefangen. Die ganze Nacht lang wach: nichts.

Da hinein spricht einer: Ihr werdet finden!

Die Jünger werfen noch einmal ihre Netze aus. Gegen alle Wahrscheinlichkeit. In trotzigem Vertrauen.

Da finden sie: Fische. Erkennen: den Lebendigen. Fassen: Mut.

Der eine spricht, der andere springt. Der eine verhalten, der andere ungestüm. Jeder auf seine Art, jeder nach seinen Möglichkeiten.

Die Jünger sind schwach. Können das Netz nicht schleppen. Schleifen’s nur.

Der am Ufer spricht sie an. Macht sie stark. Traut’s ihnen zu.

Einer wächst über sich hinaus. Spürt Kraft, Energie, Lebendigkeit.

Der am Feuer lädt sie ein. Zum Mahl. Zur Gemeinschaft.

Die Jünger sind schüchtern. Wagen nicht zu fragen. Wissen im Herzen.

Spüren eine Gegenwart: Mut, Kraft, Zutrauen.

Einer ist da. Mit Namen Jesus.

Im Alltag. Da, wo wir zu Hause sind.

  

Beten, am besten gemeinsam

Sich einen Strand vorstellen und ein Strandfeuer. Um das Feuer eine kleine Runde, wie um einen Küchentisch. Miteinander vertraut sein und gemeinsam sprechen: Vater unser …

 

Wunsch für die Woche

Gott möge uns

Aufmerksamkeit schenken

und sie lenken

auf unsere blinden Flecken

und über unsere Tellerränder

und auf seine Gegenwart

im Trost und im Lebendigsein.

 

Und die Weisheit

segne unsere Sinne,

die ersten fünf,

auch den sechsten und siebten,

und den für die Vergessenen,

den für das Mitleiden,

auch den für die Freude.

 

Und ein frischer Geist

wirble durch unsere Gedanken

mit seiner Kreativität

und seiner Großzügigkeit

und zeige sich als Friede

in uns und durch uns.

 

Amen.